Corona-Beobachtungen #2: Auto

Eine Beobachtung – die ich zwar nicht beim Laufen gemacht, dafür aber verarbeitet habe – war die des verfluchten Autos. Das Wort "verflucht" ist dabei wörtlich zu verstehen.

Auto

Abergläubische Menschen mögen davon überzeugt sein, dass ihr kleiner Zeh besessen ist, oder dass ihr geliebter Hamster aus der Kindheit in Träumen zu ihnen spricht. Manche Dinge, die dem Aberglauben zuzuordnen sind, mögen mir vererbt worden sein (nicht über am Boden ausgestreckte Beine steigen, sonst bleibt die sitzende Person klein), dass dieser süße rote kleine Hyundai i20 Unheil und Verderben über das Schicksal seines Besitzers bringt – davon bin ich voll und ganz überzeugt.

Vorgeschichte

Der kleine Flitzer sollte seine Zukunft im spannenden entfernten Land Bosnien bestreiten. Zu diesem Zweck kauften ihn meine Eltern von einem Ehepaar in Niederösterreich, nahe der slowakischen Grenze (ein beachtenswertes Detail, wie sich herausstellen sollte). Die ersten Komplikationen ließen nicht lange auf sich warten: An der Schwelle zum neuen Heimatland hieß es "nope, dieser Südkoreaner kommt uns nicht ins Land" und der i20 blitzte beim Zoll ab. 

Kein Problem, er ist der Tochter (sprich: mir) bestimmt, die gerade ihre ersten Schritte in der "ernsthaften" Berufswelt tätigte – das war 2015. Ich freute mich, war das Auto doch wirklich schick, hatte endlich eine funktionierende Klimaanlage und wartete darauf, mit mir die Welt zu erkunden. 

Stunde des Wolfs

Wenn ein unter einer Psychose leidender Mensch etwas Schreckliches anstellt, so heißt es aus seiner Umgebung immer: "Also wenn ich noch genau überlege – er hat beim Müll Heraustragen immer ein eigenartiges Gesicht gemacht. Und sein Hund, der ist immer mit eingezogenem Schwanz neben ihm hergegangen. Das kann doch nicht normal sein?" Genau so verhält es sich mit diesem Auto. Wann genau die ersten eigenartigen Erscheinungen aufgetreten sind, daran kann ich mich nicht genau erinnern. Schon damals hätte mir aber das unheilvolle Omen auffallen sollen. Den Beginn machte die Alarmanlage – sie ging komplett unbegründet und zu jeder Tageszeit an – also hauptsächlich nachts, damit es mir wirklich unangenehm sein konnte. Meine mit allen Wassern gewaschenen Mechaniker waren ratlos. Was mich die drastische Maßnahme ergreifen ließ, das Auto in die Vertragswerkstatt zu bringen. Scheinbar mit Erfolg: 500 Euro später und die netten Leute bei Hyundai wussten zwar nicht, was das Auto nachts in den heulenden Wolf verwandelte, aber sie hatten die Alarmanlage abgesteckt.

Die weiteren Vorkommnisse lassen sich nicht genau chronologisch, dafür aber kategorisch ordnen:

Batterie

Dann kam der Winter. Und Batterie Nummer eins ging ein. Den Grund konnte keiner so genau bestimmen – mindestens zwei weitere sollten noch folgen (zum Ärger des zur Gewährleistung verpflichteten Händlers). Und dann ging die Heulerei von Neuem los. Mittlerweile wohnte ich im vornehmen Geidorf mit seinen bürgerlichen Bewohnern, die ihre Nachtruhe noch mehr schätzten als jene Göstinger, die an der Grenze zum bösen Lend schon einiges gewohnt waren. Unter die Scheibenwischer (auch ihnen werde ich noch einen Absatz widmen) geklemmte Nachrichten und ein "freundlicher Hinweis" des Wirten um die Ecke brachten mich dazu, abermals die netten Leute von Hyundai aufzusuchen. Bewaffnet mit der Bestätigung, dass sie die Alarmanlage schon beim letzten Mal abgeklemmt hatten, bat ich sie höflichst, es dieses Mal doch wirklich zu tun. Mit Erfolg.

Getriebe

Schon einmal erlebt, dass beim kuppeln das Pedal unten hängen bleibt? Ich nicht. Also beriet ich mich mit einem Fachmann – von der AVL... wer hat der hat (zumindest Freunde von Freunden). Dieser roch den Pfusch schon einen Kilometer gegen den Wind. Erinnert ihr euch noch an den Kaufort? Genau, in der Slowakei sind die Mechaniker schließlich günstiger. Das wussten auch schon die niederösterreichischen Vorbesitzer, denen der i20 wohl schon das Leben schwer gemacht hatte. Die Entdeckung mündete im Wechsel des Getriebes. Man investiert schließlich gerne in sein geliebtes Auto.

Anlasser

Es war ein wunderschöner Roadtrip quer durch die vielseitigen malerischen Landschaften am Balkan. Um den Touristenmassen in Dubrovnik zu entfliehen beschlossen wir am südlichen Ende der kroatischen Küste einen Abstecher ins bergige Trebinje zu machen und anschließend zurück an die montenegrinische Küste zu fahren. Es trennte uns eine auf einem Berg gelegene Grenze vom Blick aufs Meer, die Autokolonne war überschaubar aber lang genug, um den Motor abzustellen. Für immer, wenn es nach der Laune des Autos gehen sollte. Denn als ich wieder losfahren wollte, tat sich nichts. Das Auto reagierte nicht auf den Zündschlüssel, während das Radio fröhlich vor sich hinträllerte. In einer ersten Reaktion winkte ich die wartenden Autos hinter mir vorbei, eines hielt ich an, um die Insassen um eine Starthilfe zu bitten. Vier muskelbepackte Männer stiegen aus, um dem jungen Mädel, das fuhr (!) während ihr Mann am Beifahrersitz saß (!) aus der Patsche zu helfen. Es sollte sich herausstellen, dass ich mit vier Mechanikern aus Sarajevo zu tun hatte, aber selbst sie und meine mitgebrachten (mittlerweile kannte ich das Teufelsding ja schon) Starthilfekabel brachten die Karre nicht zum laufen – im Gegensatz zu den vorhin angesprochenen Muskeln. Ein bisserl bergauf anschieben und das Auto war angesprungen. Bis ich tanken musste. Und es an der überfüllten Tankstelle streikte. Anschieben, losstarten, sich das Gelächter des Montenegriner Tankstellenmitarbeiters anhören, als ich nach einem am Samstag arbeitenden Mechaniker fragte, weiterfahren. Einen zweistündigen Umweg nehmen, weil man es nicht riskieren konnte, die Fähre mit so einer Schrottkiste zu befahren. Das Auto auf den Parkplatz eines Mechanikers rollen, der am Montag wieder offen haben würde. Von ihm bei laufendem Fernseher ignoriert werden, als ich an seine Tür klopfte. Eine Nachricht ins Auto legen, eine Unterkunft finden, sich ein Bier gönnen. Am Dienstag lief das Ding übrigens wieder. Der Mechaniker, der per Viber mit mir flirtete als wir beim Roadtrip Station in Belgrad einlegten, hatte mir den Vorzug vor der älteren Dame gegeben und den Anlasser (!) ausgetauscht. 

Der Verkauf

Mittlerweile waren Jahre vergangen, in denen ich die Batterie weiterhin regelmäßig tot war und entweder auf dem ungewissen Weg nach Bosnien aufgeladen oder das Auto eben stehen gelassen wurde. Jahre, in denen sich die ÖAMTC-Mitgliedschaft tatsächlich ausgezahlt hat und ich tatsächlich  mit dem Gedanken gespielt hatte, Auto- und sorglos durchs Leben zu gehen. Da beschloss ich, mir ein neues Auto zu kaufen. Einem lieben Freund habe ich die Begegnung mit meinem Skoda Rapid zu verdanken, das ist aber eine andere Geschichte. Wer schon einmal versucht hat, ein Auto über Willhaben zu verkaufen, wird ein Lied von skrupellosen Angeboten, harschen Verhandlungen und unfreundlichen Nachrichten singen können. In meinem Fall nehme ich noch die Kategorien Alter und Geschlecht hinzu, die die angeblichen Kaufwilligen dazu missbrauchten, meine Zeit zu verschwenden. Und dann schlug der Dämon wieder zu, von dem das Auto besessen war: Ein sehr nettes bulgarisches Pärchen ist an einem klirrend kalten Morgen aus Leoben angereist, um sich das Auto anzusehen. Keilriemen, Service und üblichen Blödsinn haben sie verwendet, um sich eine Basis fürs Feilschen in einem akzeptablen Rahmen zu legen. Dann ging es ans Eingemachte: Ich setze mich ins Auto, drehe den Zündschlüssel und das Ding springt nicht an.

Erst einem slowenischen Auto-Vollprofi mit der Leidenschaft zum Tüfteln und dem Geist eines Detektiven ist es gelungen, einen Schalter unter der Haube auszumachen, der verrutscht war und der Elektronik vorgaukelte, die Haube wäre permanent offen - übrigens die Lösung aller Mysterien, die auch die Alarmanlage seinerzeit nicht schweigen hat lassen.

Scheibenwischer

Beim Roadtrip lernte ich also, dass das Auto neben einem Motor auch einen kleinen Motor, den Anlasser, hat, der dem großen praktisch Starthilfe gibt. Ich sollte aber auch noch weitere Motoren in meinem Auto kennenlernen. Etwa jenen der Scheibenwischer, der am Morgen eines mit Regen bedrohten Trips nach Salzburg einging. War das eine aufreibende Fahrt, muss ich zugeben! Auch dieser wurde vom Slowenen – mittlerweile Mechaniker meines Vertrauens – ausgetauscht.

Der Verkauf – die Zweite

In der Zwischenzeit meldete sich ein Gebrauchtwagenhändler bei mir, der auf Konzession Autos verkaufte. Ich solle lediglich meine Vollmacht erteilen und meinen gewünschten Ertrag bekanntgeben und sie würden alles abwickeln. Klingt doch zu schön um wahr zu sein! Also machte ich mich an die Recherche, googelte Erfahrungsberichte, frage mich um – das Unternehmen hatte eine saubere Weste. Als auch noch ein Kollege mir davon erzählte, dass er selbst mit ihnen erfolgreich zusammengearbeitet hat, habe ich ja gesagt. Am 30. November 2019 habe ich den Vertrag mit MyCar unterschrieben. Am 7. Dezember veröffentlichte der ORF eine Warnung vor der Firma. Das habe ich natürlich nicht mehr mitbekommen, meine Recherchen waren abgeschlossen. Im Februar erhielt ich meine neue Versicherungskarte – neben dem Rapid fehlte jedoch der i20. Ich wurde hellhörig, brauchte aber nicht lange recherchieren. Nur Tage darauf flatterte die Information über die Insolvenz ins Haus – das Auto wurde verkauft, ich darüber nicht informiert, noch wurde mir der Betrag ausgezahlt. Das Auto hat sich ein neues Opfer gesucht – mein Beileid! Für mich ist zumindest ein Artikel dabei herausgesprungen.

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