Folgendes kann weniger als "Beobachtung" bezeichnen, viel mehr als "Selbstreflexion":
In der Krise besinnt sich die moderne Hausfrau der Aufgaben einer klassischen Hausfrau: Putzen, Kochen, Brotbacken, Nähen. Auf letztere zwei möchte ich in diesem Blog näher eingehen: Ich war nie die Bäckerin. Vielmehr hat mir Backen immer Stress bereitet und wenn ich noch einen Versuch bestreiten sollte, Macarons mit den perfekten Schaumfüßchen zu kreieren und dieser scheitert, so werde ich mich vermutlich meiner aus der Steinzeit stammenden Instinkte besinnen und die gesamte Höhle (sprich Wohnung) mit einer Keule (sprich irgendetwas Hartes, das mir in die Hände gerät) in Schutt und Asche verwandeln.
Jedenfalls kam ich eines dunklen (stimmt gar nicht, seit Wochen hatten wir strahlenden Sonnenschein) Corona-Quarantäne-Tages auf die Idee, ein Brot zu backen. Eine Backmischung – beim Kauf folgte ich seinerzeit einem Impuls, der damals schon auf der Türschwelle verflogen war – hatte ich. Genauso wie ein paar Packungen Trockengerm – woher die stammten, kann ich bei bestem Willen nicht rekonstruieren. Also backen wir einmal ein Brot. Es ließ sich kneten und formen, es ging auf und es sah auf so eine magische Art und Weise aus wie ein echtes Brot (und die beschwipste Videotelefonie-Party leistete ihren Beitrag) und roch herrlich – der erste Bissen gewährte einen Vorgeschmack aufs Paradies. Nüchtern betrachtet (in so vielerlei Hinsicht) schmeckte das fluffige Vollkornbrot stark nach Germ. Und damit begannen meine Recherchearbeiten.
Zwei weitere, nach Germ und viel zu wenig Salz (die zwei-Prozent-Faustregel ist eine blanke Lüge!) schmeckende Brote später war mein mittlerweile gezüchteter Sauerteig bereit, verarbeitet zu werden. Dieser Sauerteig sollte bei einer weiteren Videokonferenz übrigens von meinem Mann als das „Hausfrauen-Tamagotchi“ bezeichnet werden. Bei aller Belustigung musste ich feststellen, dass er mit dieser Beschreibung gar nicht so fern lag: Vor allen in seinen jungen Tagen ist der Sauerteig sehr empfindlich. Man muss ihn ansetzen, ihn warmhalten, ihn täglich füttern, vor Zugluft schützen. Er wächst und gedeiht, verändert seine Form, Farbe (und Geruch – zum Glück anders als ein Tamagotchi) und kann schließlich auch sterben. Mit einer dementsprechenden Hingabe behandelte ich ihn auch.
Da hatte ich nun meinen Sauerteig und ich bereitete mein Brot entsprechend eines Rezepts zu. Gewürze und Salz wurden mindestens verdoppelt, ins Brot sehr viel Erwartungen gesteckt. Zwölf Stunden später war der Teig nicht gewachsen. Aber macht nichts, meine Zuversicht war groß. Gebacken, immer noch gleich kompakt. Der erste Bissen ergab: Sehr lecker, nicht wirklich ein Brot, mehr ein Teigklumpen. Tage später sollten wir Fische damit "füttern" (viel mehr hatte ich Angst, wir würden sie erschlagen).
Mein erstes Sauerteig-Brot
Also gab ich dem Germ eine zweite Chance. Der frische Germ war mittlerweile wieder lieferbar (Spar hatte sich wohl Unterstützung aus Ottakring geholt – ein Hoch aufs Ottakringer!) und ich verwendete ihn höchst sparsam. Mittlerweile mahlte ich auch mein eigenes Brotgewürz (ich sage es ja, in der Kurzarbeit/Quarantäne hat man Zeit...) in der Hand-Kaffeemühle und sparte weder damit noch mit dem Salz. Und siehe da – das perfekte Brot! Zumindest dachte ich das damals.
Es dauerte nicht lange und ich wagte mich ein zweites Mal an den Sauerteig heran. Mittlerweile hatte ich das Rezept noch einmal gelesen und bin auf den Unterschied zwischen "Sauerteig" und "Sauerteig-Ansatz" gekommen. Nun nahm ich mir also zwei Tage Zeit, setzte den Sauerteig am Vorabend an, ließ ihm acht bis zwölf Stunden Zeit zum Gehen... Siehe da – es gibt das ultimativ perfekte Brot, das sogar mein Brot-Fetischist von Mann als solches bezeichnete.
Wozu eigentlich diese stereotypischste Hausfrauen-Geschichte der Welt? Weil sie mich zu einer Erkenntnis geführt hat: Corona spart nicht nur irrsinnig viel Geld, sondern auch Zeit. Zeit, die man verwenden kann, um mit seinen eigenen Händen Dinge zu schaffen. Und das fühlt sich gut an. Darum werde ich sicher trauern, wenn all das vorbei ist. Oder eben dieses angeeignetes Handwerk weiter bewusst fördern, mir Zeit dafür nehmen. Zeit, die ich ansonsten vor dem Computer, am Smartphone oder in nichtigen, pseudo-geschäftlichen Gesprächen verschwenden würde.
Ich gehöre ja nicht de facto zu jenen "am Land aufgewachsenen" Kindern. Aber die Sommer, die ich in meiner Kindheit am Land in Bosnien mit meinen Großeltern verbracht habe, gehören zu den wertvollsten meines Lebens. Diese "Beschäftigungstherapie" des modernen Stadtmenschen erlaubt es eben diesem eine Zeit der Ruhe und Entspannung, der absoluten Konzentration. Das Ergebnis macht die misslungenen Versuche und die damit verbundene Frustration wett.